Radikale Zuversicht
Möglichkeiten einer Mitweltgesellschaft
SBN: 978-3-96238-398-5
400 Seiten
Alles ist Beziehung: Der Mensch ist nicht nur umgeben von der (Um-)Welt, er ist fest eingebunden in sie, in seine Mitwelt. Menschen sind Mitwirkende, Gestalter, Akteure. Jedes Tun und Unterlassen hat Bedeutung – und derzeit bringen wir die Mitwelt mit unserem Handeln in Gefahr. Wenn wir unsere Lebensgrundlagen erhalten wollen, müssen wir das System dringend ändern. Genau hieraus speist sich die »Radikale Zuversicht«.
Der Ökonom Gustav Bergmann bietet ausgehend von einer Diagnose der Gegenwart konkrete Vorschläge für die Veränderung und zeigt Wege in eine demokratische Muße- und Mitweltgesellschaft auf, in der die Biosphäre erhalten wird und alle Menschen ein gutes, gehaltvolles Leben entfalten können, anerkannt und gewürdigt werden. Eine solche sozial-ökologische Transformation kann gelingen, wenn wir die Logik der Aneignung sowie der Kapitalakkumulation in wenigen Händen überwinden und diese Welt wohlwollend gemeinsam gestalten.
Wirtschaft demokratisch
Weltweit sehen wir uns Tendenzen der Entdemokratisierung und Intoleranz gegenüber. In vielen Ländern ist eine Tendenz zur Diktatur zu beobachten. Nicht nur in Europa neigen zahlreiche Regierungen zu autokratischen Strukturen, dem Abbau von Sozialund Rechtsstaat. Dem kann durch die weitere Kultivierung des demokratischen Staates entgegengewirkt werden. Dabei scheint es besonders geboten, über die Demokratisierung von Unternehmen und Organisationen nachzudenken, die als Hauptwirkungsstätten der Menschen fungieren. Demokratische Unternehmen können als Keimzellen für die Wiederbelebung der Demokratie dienen. Die AutorInnen veranschaulichen diesen Weg über die Forschungsfelder der Teilhabe, Mitwirkung und Verantwortung. Demokratie wird hier als eine Lebensform verstanden, die auf Respekt und Toleranz gründet. Demokraten eint die Erkenntnis, dass man nur gemeinsam zu guten und dauerhaften Lösungen und Entscheidungen kommt.
Paradoxien, resonante Mitweltgestaltung
In seiner Autobiografie „Possibilities“ beschreibt der große Jazzmusiker Herbie Hancock (2005) zahlreiche Beispiele, wie in seiner Karriere immer wieder Anderes und neue Möglichkeiten entstanden. Einmal verspielte er sich in einem Konzert, doch Miles Davis baute die falsche Note geschwind in den Song ein. Ein anderes Mal merkte Hancock an, dass sie immer wieder dasselbe spielen würden. Daraufhin schlug Davis vor: „Don’t play the butter notes“. Diese kryptische Äußerung konnte nun dechiffriert werden. Also vielleicht sollte nicht das Offensichtliche gespielt werden oder nicht so ‚fett‘? Die verschiedenen Interpretationen evozierten neue Harmonien und eröffneten neue Möglichkeiten. Mit diesen Beispielen klingt an, wie man durch Abduktion und Irritation neue Wege eröffnet.
Die (Un-)Möglichkeit der Mitweltgestaltung und Entwicklung. Versuch über die relationale Entwicklung und Befähigung: in: Hochmann, Lars/Graupe, Silja/Korbun, Thomas/Panther, Stephan/Schneidewind, Uwe (Hrsg.), Möglichkeitswissenschaften: Ökonomie mit Möglichkeitssinn. Marburg, S. 419-442.
Retropolitische Provokation
In diesem Essay wird die Provokation als Stilmittel einer Retropolitik beschrieben. Problematisiert wird der Umgang mit Wahrheit, Wirklichkeit und Realität. Letztlich wird versucht, einen klärenden Beitrag zu leisten, wie der Politik der fake news und Unvernunft begegnet werden kann. Es geht dabei nicht nur um eine »vernünftige« Vorgehensweise und Appelle an Einsicht, sondern um die Infragestellung unseres widersprüchlichen Gesellschafts und Wirtschaftssystems.
Retropolitische Provokation und was wir dagegen tun können. In: Hoch, Gero/Schröteler- von Brandt, Hildegard/Schwarz, Angela/Stein, Volker (Hrsg.), Zum Thema: Provokation. DIAGONAL Heft 39. Göttingen, S. 123-140.
Mitwelt
Ein Versuch über ein Leben im Einklang und die große Transformation der Gesellschaft.
Gustav Bergmann 1 im April 2020
1 Dr. Gustav Bergmann lehrt und forscht als Professor an der Universität Siegen Plurale Ökonomik.
Dans notre petite ville, est-ce l’effet du climat, tout cela se
fait ensemble, du même air frénétique et absent. C’est-à-dire qu’on
s’y ennuie et qu’on s’y applique à prendre des habitudes. Nos concitoyens
travaillent beaucoup, mais toujours pour s’enrichir. Ils s’intéressent
surtout au commerce et ils s’occupent d’abord, selon leur expression,
de faire des affaires.
In unserem Städtchen vermengt sich dies alles und
geschieht mit der gleichen Maßlosigkeit, doch ohne innere
Anteilnahme. Das mag eine Folge des Klimas sein und bedeutet, daß
man sich langweilt und sich bemüht, Gewohnheiten anzunehmen.
Unsere Mitbürger arbeiten viel, aber nur, um reich zu werden. Sie
befassen sich hauptsächlich mit Handel und dem, was sie Geschäfte
machen nennen.
Aus: Albert Camus, La Peste
Zeitalter der Kontingenz
Als es so schien, dass sich trotz fundamentaler Krisen der Mitwelt 2, nichts zu ändern wäre, da kam eine Pandemie und plötzlich war alles möglich. Die Politiker sind handlungsfähig und manche entwickeln ungeahnte Qualitäten. Es wird fundiert argumentierenden Wissenschaftlern wieder zugehört, es gibt es eine Renaissance staatlicher Ordnung, teilweise werden Privatisierungen zurückgeführt. Die meisten Menschen handeln kreativ und solidarisch, wichtige Berufe in Gesundheit und Pflege oder im Notfallbereich werden wieder geschätzt. Während andere ihre Vernunft und Großgesinntheit zeigen, geraten andere in Panik, Angst und/oder horten und hamstern.